Beschaffungskrise: Wo es kritisch werden kann

Wie haben sich zuletzt Preise und Verfügbarkeiten bei Papieren entwickelt?

In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren wir weiterhin mit Preissteigerungen und schlechter Verfügbarkeit konfrontiert. Für Verlage bedeutet das lange Planungszeiträume und Budget- und Preisanpassungen. Die ersten großen Papierhersteller haben jetzt die nächsten Preiserhöhungen angekündigt. Mit der sprunghaften Energiekostensteigerung hat der Trend wieder an Fahrt aufgenommen und neben weiteren Preissteigerungen muss mit einer weiteren Verknappung gerechnet werden.

Wie wirken sich der Ukraine-Krieg und die Russland-Sanktionen auf die ohnehin angespannte Lage in der Beschaffung aus?

Laut Druckverband BVDM hatten zuletzt über 70% der Unternehmen Auftragsaus­fälle, weil es an Papier mangelt. Das ist für die Branche aktuell ein viel gravierenderes Problem als mögliche Auswirkungen des Krieges. Es gibt bisher auch keine Einlassungen von großen Papierherstellern in Europa, die bei Lieferengpässen und Preiserhöhungen direkte Rückschlüsse auf den Ukraine-Krieg zulassen. Wir hören, wie auch schon zuvor, dass die Energiekosten weiter steigen und dass es dadurch zu weiteren Teuerungen kommt.

Dass durch die Lieferembargos nach Russland und Belarus Papiere im europäischen Markt bleiben und die Lage so etwas entspannen, ist denkbar. Das hängt aber von der frei werdenden Menge ab und wohin sie geht: Europa oder Asien. Aktuell sehen wir jedoch meist eine weitere Verknappung.

Wo kann es kritisch werden?

Für die Autoindustrie, die Kabelbäume in der Ukraine produziert, war schnell absehbar, dass sie neben dem Chip-Mangel noch ein weiteres Problem bekommt. Das sehen wir in der Papierindustrie so nicht. Es gibt zwar einige Hersteller, die in Russland und auch der Ukraine Werke betreiben, aber große Mengen kommen nicht von dort, weder bei Papieren noch bei Roh-/Hilfs- und Betriebsstoffen. Auch gedruckt wird für Europa in Russland nur in vernachlässigbarer Größenordnung.

Es gibt aber drei Punkte, die kritisch werden können: Ganz wesentlich sind die weiteren Energiepreissteigerungen. Papierherstellung ist enorm energieintensiv, sodass wir davon ausgehen müssen, dass die Preise weiter steigen werden und im schlimmsten Fall Betriebe ihre Maschinen abstellen, weil sie die Kostensteigerung nicht weitergeben können. Ein anderer Punkt, über den wir schon länger diskutieren, ist die Knappheit an Aluminium, das für Druckplatten benötigt wird. Ein dritter Knackpunkt liegt in der europäischen Logistik. Erste Verbandsschätzungen gehen davon aus, dass über 100.000 ukrainische Lkw-Fahrer im internationalen Warenverkehr ausfallen könnten. Dadurch geraten schon jetzt die Lieferketten, die ohnehin durch Fahrermangel belastet sind, weiter unter Druck.

Was raten Sie?

Wir sehen inzwischen, dass diese Szenarien wahrscheinlich sind, können aber nur grob abschätzen, in welchem Umfang sie eintreten werden. Welches Gewicht die Auswirkungen haben, muss jeder Verlag in seiner Risiko­analyse für sich selbst bewerten. Wir alle müssen die Lage jeden Tag genau beobachten.

Was ich dabei nur jedem raten kann: mehrere Quellen anzapfen und die Informationsbeschaffung in die Breite ziehen. Ich bemängele immer wieder, dass Einkäufer in Verlagen nur mit einem Mitarbeiter einer Druckerei sprechen. Das ist aber keine valide Markteinschätzung, sondern nur eine singuläre Sichtweise. Ein anderer Drucker sieht die Dinge vielleicht anders, ganz zu schweigen von Papiergroßhändlern und Papierherstellern.

Ganz konkret beginnen einige Verlage nach den Erfahrungen des letzten Jahres darüber nachzudenken, einen eigenen Papiereinkauf aufzubauen, was über viele Jahre ein Tabu war. Dafür braucht es aber Liquidität und ein gewisses Einkaufsvolumen. Aber selbst für kleine Verlage wäre das über Einkaufskooperationen abzubilden, die in einigen Bereichen sehr sinnvoll sind.

Dieser Artikel ist im Original am 17.03.22 im Buchreport-Channel Channel Strategie & Transformation erschienen.

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