Interim-Management: Lotsendienst in schwierigen Gewässern oder Übergangslösung?
Die Pubertät begleiten meistens die Eltern und nennen ihre Sprösslinge gerne „Pubertiere“. Anthropologisch betrachtet werden Übergänge in Stämmen oder Volksgruppen nicht selten begleitet – durch Rituale und von Schamanen oder anderen spirituellen Begleitern. Die Begleitung dieser Veränderung und Transformation erfolgt in diesen Gruppen sehr bewusst nicht durch den Häuptling. Seine Rolle ist eine andere (siehe auch: Corporate Tribe; Braun, Kramer, Schäffer-Poeschel).
Interim Managerinnen und Manager als Schamanen? So weit muss es nun nicht gehen, aber Interim Management kann dennoch oder gerade deswegen einen wertvollen Beitrag in der Begleitung und für die Organisation leisten und den „Häuptling“ entlasten. Und Gründe gibt es in der heutigen Zeit genug.
Warum macht Interim Management Sinn?
- Schnelle Verfügbarkeit von Fachkenntnissen: Interim Manager sind in der Regel erfahrene Fachleute mit umfassenden Branchenkenntnissen und spezifischen Fähigkeiten. Unternehmen können daher schnell auf ihre Expertise zugreifen, ohne lange und oftmals aufwändige Rekrutierungsprozesse durchlaufen zu müssen.
- Zeitlich begrenzter Bedarf: Wenn ein Unternehmen vorübergehend einen Engpass in der Führung hat, sei es aufgrund von Umstrukturierungen, Fluktuation oder anderen Gründen, bietet Interim Management eine flexible Lösung. Es ermöglicht Unternehmen, auf kurzfristige Herausforderungen zu reagieren, ohne langfristige Verpflichtungen einzugehen.
- Projektmanagement: Interim Manager werden oft und gerne für die Leitung von speziellen Projekten eingesetzt. Ihr Fachwissen und ihre Erfahrung können entscheidend sein, um komplexe Projekte erfolgreich abzuschließen. Und Themen gibt es reichlich, z. B. Digitalisierung und KI, Restrukturierung, Kostenoptimierung und Nachhaltigkeit, um nur einige zu nennen.
- Krisenmanagement: Krisen haben wir aktuell mehr als genug. Nicht nur global. In kritischen oder krisenhaften Situationen, wie z. B. einer finanziellen Unternehmenskrise, einer Restrukturierung oder einem Managementausfall, können Interim Manager schnell unterstützen, um Stabilität wiederherzustellen und das Unternehmen auf den richtigen Kurs zu bringen oder auf Kurs zu halten. Der Interim Manager ist der Lotse an Bord, der den Kapitän oder die Kapitänin unterstützt und durch gefährliches Gewässer begleitet.
Man könnte es auch kürzer fassen und salopp sagen: Interim Manager kommen, wenn es brennt, und bleiben, bis es läuft.
Die Vorteile von Interim Management
Neben der fachlichen Expertise und zeitlichen Flexibiliät gibt es aber noch einige andere Vorteile, die ein Interim Management für ein Unternehmen bietet. Es lohnt sich allemal, hin und wieder einen Blick von außen in eine Organisation werfen zu lassen und verfahrene Situationen oder aufwändige und veraltete Prozessstrukturen zu hinterfragen. Da ist das Interim Management eine gute Option.
- Unabhängige Perspektive: Interim Manager bringen in der Regel eine objektivere und unvoreingenommene Sichtweise mit. Sie sind nicht an langfristige Unternehmensstrukturen oder -politik gebunden und haben keine internen Erfahrungen „im Gepäck“, keine „Cognitive bias“, die den Blick zuweilen einschränkt. Dies führt oft zu frischen Ideen und effektiveren Lösungen.
- Flexibilität und Kosteneffizienz: Im Vergleich zur Einstellung von festen Mitarbeitern kann Interim Management kosteneffizienter sein, insbesondere wenn die Anforderungen z. B. in einer Projektphase zeitlich begrenzt sind. Es ermöglicht Unternehmen, genau die Fähigkeiten und Ressourcen zu nutzen, die sie für einen bestimmten Zeitraum benötigen.
- Know-how-Transfer: Interim Manager können nicht nur operative Aufgaben übernehmen, sondern auch Wissen und Fähigkeiten an das interne Team weitergeben. Dieser Wissenstransfer kann nachhaltig positive Auswirkungen auf die Organisation haben.
- Risikomanagement: In unsicheren oder volatilen Geschäftsumfeldern kann Interim Management als eine Form des Risikomanagements dienen. Es ermöglicht Unternehmen, schnell auf Veränderungen zu reagieren, ohne langfristige Verpflichtungen einzugehen.
Einarbeitungszeit: 3 Tage. Höchstens!
Mit all diesen Vorteilen für das Unternehmen steigt aber natürlich auch der ganz persönliche Erwartungsdruck auf den/die Interim Manager:in selbst. Er oder sie soll möglichst „schnell abliefern“, Quick wins aus dem Ärmel schütteln, sich idealerweise in kürzester Zeit einarbeiten und ganz nebenbei die Mitarbeitenden und die kulturellen und strukturellen Besonderheiten des Unternehmens kennenlernen.
Schauen wir also auch auf die Herausforderungen, die mit dieser Aufgabe verbunden sind.
- Schnelle Einarbeitung: Interim Manager müssen sich schnell in neue Unternehmensstrukturen, -kulturen und -prozesse einarbeiten. Sie müssen in der Lage sein, rasch einen Überblick über die Herausforderungen des Unternehmens zu bekommen und effektive Lösungen, aber auch die Fallstricke und Stolpersteine zu identifizieren.
- Akzeptanz und Integration: Da Interim Manager: temporär im Unternehmen arbeiten, kann es für sie herausfordernd sein, von den fest angestellten Mitarbeitenden vollständig akzeptiert und in die bestehende Teamkultur integriert zu werden. Daher ist die Fähigkeit entscheidend, schnell Vertrauen aufzubauen und sich in formelle und informelle Strukturen zu integrieren.
- Klare Zielsetzung: Interim Manager müssen klare und realistische Ziele für den Zeitraum ihres Engagements setzen. Dies erfordert bereits vorab eine genaue Analyse der Situation, eine klare Definition der Aufgaben und eine realistische Planung, um die gesteckten Ziele zu erreichen.
- Schnelle Ergebnisse: Interim Manager werden oft eingestellt, um schnell Ergebnisse zu erzielen. Dies erfordert ein effektives Zeitmanagement, eine schnelle Entscheidungsfindung und die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen, um die gesteckten Ziele fristgerecht zu erreichen.
- Flexibilität: Interim Manager müssen flexibel sein, da sie oft in dynamischen Umgebungen arbeiten, in denen sich Anforderungen und Rahmenbedingungen schnell ändern können. Die Fähigkeit zur Anpassung an neue Gegebenheiten ist daher von entscheidender Bedeutung.
- Kommunikation: Interim Manager müssen ausgezeichnete Kommunikationsfähigkeiten besitzen, um effektiv mit verschiedenen Stakeholdern zu interagieren. Dies umfasst die klare Kommunikation von Zielen, Fortschritten und notwendigen Veränderungen.
- Kontinuierliche Selbstentwicklung: Da Interim Manager in verschiedenen Branchen und Kontexten arbeiten, ist es wichtig, dass sie kontinuierlich ihre Fähigkeiten und Kenntnisse weiterentwickeln, um den sich stets wandelnden Anforderungen gerecht zu werden.
- Risikobewusstsein: Um negative Auswirkungen zu minimieren, müssen Interim Manager in der Lage sein, möglichst rasch Risiken zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dies erfordert ein gründliches Verständnis der Unternehmenssituation und der potenziellen Risikofaktoren.
Interim Management erfordert also nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern insbesondere auch eine Reihe von zwischenmenschlichen Fähigkeiten, um erfolgreich in verschiedenen Unternehmensumgebungen agieren zu können.
Fazit
Die Entscheidung für Interim Management hängt von den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen eines Unternehmens ab. Es bietet eine flexible und maßgeschneiderte Lösung für temporäre Anforderungen im Managementbereich. Und wenn sich Unternehmen und Organisationen auf diese Art der Zusammenarbeit einlassen, ist in den meisten Fällen mit schnellen Ergebnissen und erfolgversprechenden Veränderungen zu rechnen.
Dieses Beitrag ist im Original am 08.05.24 im dpr Magazin erschienen.
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