Digitalisierung: Strategie statt technologischer Aktionismus
Die Coronakrise hat viele Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt. Doch sie erweist sich auch als eine Phase, die von großer Kreativität geprägt ist und die Gelegenheit für positive Veränderungen bietet.
Die vergangenen Monate haben bewiesen, dass die Verlage, die sich schon früh mit den Chancen der Digitalisierung befasst haben, deutlich im Vorteil waren. Anlass genug, sich spätestens jetzt zu überlegen, wie sich die Digitalisierung im Unternehmen vorantreiben lässt.
Die Digitalisierung bringt unterschiedlichste Anforderungen mit sich. So bemühen sich Publikumsverlage im Entertainmentbereich im Wettbewerb mit anderen Medienformen wie Musik- oder Videostreaming oder Gaming um die Leser und Hörbuchliebhaber. Fachinformations- und Nachrichtendienste müssen sich nach wie vor gegen kostenlose Alternativangebote im Internet behaupten, und Bildungsverlage sind gefragter denn je, um digitale Lösungen für Lehrende und Lernende zu entwickeln. Die Kunden können auf allen Kanälen und auf den verschiedensten Geräten unterwegs sein. Hier gehört Vernetzung bereits zum Alltag, wie etwa in Online-Communities.
Digitalisierung geht alle im Haus an
Digitalisierung ist Vernetzung – also gilt es, auch im Unternehmen vernetzt zu denken und zu handeln, genauso wie es die Kunden bereits praktizieren. Ein Klima, das einen unternehmensweiten Austausch und die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinaus fördert und pflegt, ist entscheidend für erfolgreiche Digitalisierungsvorhaben. Und: Das Thema betrifft alle im Haus, daher ist es Chefsache. Wenn diese vernetzte Denkweise schon auf der Führungsebene fest verankert ist, kann eine Arbeitskultur entstehen, die auf Transparenz und Kollaboration in allen Ebenen aufbaut und dementsprechend etabliert und vorgelebt wird. Dazu gehört auch Transparenz bei der internen Informationsvermittlung: Produktinformationen, Produktionsabläufe, Marketing- und Vertriebsdaten sollten für alle im Haus transparent gemacht werden.
Die Herausforderung ist, die Komplexität bei der Digitalisierung für das Unternehmen beherrschbar zu machen und die Rahmenbedingungen zu schaffen. Hier empfehlen wir dem Management, erst einmal die Frage ausreichend zu klären: Was heißt Digitalisierung für mein Haus?
Letztlich geht es immer um Kundenbedürfnisse, die mit dem Produkt oder dem Service zu erfüllen sind, damit die Menschen – Ihre Kunden – bereit sind, dafür Geld zu bezahlen. Versetzen Sie sich bei Ihren Überlegungen also immer in die Kundensicht und entwickeln Sie auf dieser Basis eine Roadmap der Digitalisierung.
Entscheidende strategische Handlungsfelder der Digitalisierung
Diese kundenzentrierte Sicht ist ein wichtiger Schritt, denn dafür muss ermittelt werden, wer der Kunde überhaupt ist und welche Wege zum Kunden führen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse sollte das vorhandene Geschäftsmodell überprüft werden. Passt es noch in die Vision und Mission des Unternehmens? Diese Fragestellung ist entscheidend für die Überprüfung der Unternehmensstrategie und der daraus abzuleitenden Digitalisierungsstrategie:
- Unternehmensstrategie: Wofür steht unser Unternehmen, was ist unsere Vision und Mission, was sind unsere Unternehmensziele?
- Geschäftsmodelle: Womit verdienen wir unser Geld, und sind diese Produkte und Services noch zeitgemäß?
- Organisation und Arbeitsabläufe: Wer ist wofür im Unternehmen verantwortlich und wie binden wir alle so ein, dass gemeinsam die Unternehmensziele erreicht werden können?
- Technologie: Welche unterstützende Software oder Plattform setzen wir ein, um die Unternehmensziele zu erreichen? Was gehört in die Cloud?
So führt die Strategie zügig in die Themenfelder Innovation und Produktentwicklung – übrigens immer eine ganzheitliche Angelegenheit im Haus. Ideen und Kräfte zu vernetzen, zu bündeln und das Wissen transparent zu machen, ist – wie eingangs schon erwähnt – ein Kernaspekt der Digitalisierung. Alle im Haus sind Teil der digitalen Transformation. Zudem braucht es Dirigentinnen und Dirigenten, die die Fäden zusammenhalten und die Ziele der Strategie verfolgen.
Die Rolle der Technologie in der Digitalisierungsstrategie
Ein weiterer Baustein und zugleich Treiber der Digitalisierung sind technologische Neuerungen. So gilt es, alle vorhandenen Systeme und Softwarelösungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen – wirklich ausnahmslos alle. Die umfassende Sicht auf die Systeme und deren Anbindung aneinander, sofern es eine gibt, mithilfe einer Systemarchitektur ist unerlässlich. Erst dann können Sie entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, sodass auch die Erreichung strategischer Ziele optimal unterstützt und eine höhere Vernetzung, Transparenz und Schnelligkeit bei der Datenbereitstellung ermöglicht wird.
In diesem Zusammenhang verändert sich die Rolle der IT, die nun als Sparringspartner für die Digitalisierungsthemen des Hauses gesehen werden muss. Es lohnt sich, wenn Sie das Technologie- und Security-Know-how der IT im eigenen Haus nutzen und bei der Entwicklung von digitalen Lösungen und Kundenservices einbinden.
Projektmanagement und Produktentwicklung: Vernetzt
und agil
Abgerundet wird das ganzheitliche vernetzte Denken und Handeln im Haus mit agilem Projektmanagement und agiler Produktentwicklung – dies ist eine Frage der Projektkultur. Dafür stehen Frameworks zur Auswahl, zu den bekanntesten gehört das häufig in der Softwareentwicklung genutzte Scrum. Die Herangehensweise nach der klassischen Projektmethode, wie etwa nach dem Wasserfallprinzip und mit Lasten- und Pflichtenheft, erleben wir als nicht flexibel genug, um den sich schnell ändernden Anforderungen in den Digitalisierungsprojekten gerecht zu werden.
Es sei betont: Scrum ist ein Framework, also ein Rahmenwerk, das für die eigenen Zwecke angepasst werden kann, ohne die wichtigsten Grundregeln über Bord zu werfen. Auch in der Produktentwicklung lässt sich das Framework erfolgreich einsetzen, denn Digitalisierungsthemen laufen zumeist auf technologie- und datengetriebene Projekte, Produkte und Services hinaus.
Tipps zur erfolgreichen Umsetzung der digitalen Transformation
Wenn geklärt ist, wo der Hase im Pfeffer liegt, geht es um die richtige Umsetzung. Auf Basis einer Bestandsanalyse ist es möglich zu entscheiden, wie umfangreich die Handlungsnotwendigkeit ist:
- Wo muss die Unternehmensstrategie angepasst und ausgebaut werden, damit sich eine Digitalstrategie daraus ableiten lässt?
- Wo müssen noch Arbeitsabläufe angepasst werden, damit die strategischen Ziele erreicht werden können?
- Welche Rollen und Verantwortlichkeiten sind für die Digitalisierungsprojekte noch festzulegen?
- Welche agilen Frameworks sollten eingesetzt werden?
Ebenfalls lässt sich nun bewerten, welche Produkte und Services über welchen Weg gekauft werden und bei welchen Geschäftsmodellen es sich eher um ein Auslaufmodell handeln könnte.
Nicht zuletzt gilt es zu klären, welche Softwarelösungen nötig sind, um die Produkte und Services zu erzeugen, die der „digitale“ Kunde wünscht. Wie lassen sich die Systeme im Haus zu einer Plattform bündeln? Wie schnell können bestehende Softwarelösungen skaliert werden, oder muss zuerst noch ein teures Software-Aktualisierungsprojekt vorangestellt werden?
Fazit: Strategie statt Aktionismus in der Verlags-Digitalisierung
Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind vielfältig. Doch Vorsicht: Wer nur schnell mal eine App baut, einen Online-Informationsdienst bereitstellt, rasch digitale Hörbücher auf den Markt wirft oder hastig ein CRM-System anschafft, ohne eine Strategie dahinter zu haben, setzt einzig und allein auf technologischen Aktionismus. Stattdessen sollte jedes Unternehmen seine vorhandene Strategie einer kritischen Prüfung unterziehen, inwieweit die Digitalisierung darin bereits enthalten ist. Eine professionelle Begleitung unterstützt bei einer strukturierten und objektiven Herangehensweise an diese komplexe Herausforderung.
Dieser Artikel ist im Original am 24.09.20 im Buchreport-Channel Strategie & Transformation erschienen.
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