Waldschutz beginnt im Verlag: Neue Anforderungen an Printprodukte
Eine neue Umwelt-Auflage kommt auf Verlage und Druckbetriebe zu: die Anforderungen der European Deforestation Regulation (EUDR). Denn nur noch jeder fünfte Baum ist gesund. Dieser bestürzende Wert gilt laut der Waldzustandserhebung 2023 für Deutschland. Gründe dafür sind unter anderem die jahrzehntelange Anpflanzung anfälliger, schnellwachsender Monokulturen und die Klimakrise.
Doch auch weltweit stehen unsere Wälder unter Druck durch die menschliche Zivilisation: Von 1990 bis 2020 sind global etwa 420 Millionen Hektar Wald verloren gegangen, das entspricht ungefähr der Größe Indiens.
Mit diesem Wald-Fraß soll nach dem Willen der Europäischen Union ab dem 1.1.2025 endgültig Schluss sein.
Die Anforderungen der EUDR
Aufgrund der European Deforestation Regulation gilt für den Handel mit kritischen Rohstoffen eine unternehmerische Sorgfaltspflicht. Zu den kritischen Rohstoffen gehören Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Rinder, Holz und Kautschuk.
Die Regelungen gelten auch für bestimmte Folgeprodukte wie beispielsweise Leder, Schokolade, Möbel, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften.
Zukünftig dürfen besagte Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in den Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie entwaldungs- und waldschädigungsfrei sind. Das bedeutet, dass sie nicht von Flächen stammen dürfen, auf denen nach dem 31.12.2020 Entwaldung oder Waldschädigung stattgefunden hat.
Rohstoffhändler müssen für ihre Produkte eine strenge Rückverfolgbarkeit bis zum Ursprungsort (Grundstück) der Rohstoffgewinnung via Geolokalisierung nachweisen. Zudem müssen die verwendeten Rohstoffe gemäß den Gesetzen des Produktionslandes legal sein, einschließlich der geltenden Menschen- und Arbeitsrechte.
Um das überprüfbar zu machen, müssen Rohstoffhändler ein Due-Diligence-Statement (DD-Statement) abgeben, das eine Risikobewertung beinhaltet, die Entwaldungs- und Waldschädigungsfreiheit bestätigt und Daten zur Geolokalisierung bereitstellt.
Das bedeutet konkret für große und mittlere Unternehmen, dass alle Produkte, die seit dem Stichtag 30. Juni 2023 produziert worden sind, aber erst nach dem 31.12.2024 auf den Markt kommen, bereits alle Anforderungen der EUDR erfüllen müssen.
Es gibt aber eine kleine Schonfrist: Große und mittlere Unternehmen haben eine Übergangsfrist von 18 Monaten für die Nachweiserbringung, also bis Ende 2024. Kleinst- und Kleinunternehmen erhalten eine Frist von 24 Monaten. Der Datenaustausch erfolgt über ein Informationssystem, das derzeit noch von der EU entwickelt wird und erst ab Mitte November 2024 bereitsteht.
Durch die Vermarktung von Printprodukten sind auch Verlage und publizierende Unternehmen unausweichlich von der Verordnung betroffen – es sei denn, die Printprodukte wurden auf Recyclingpapier gedruckt.
Die Frage nach dem Inverkehrbringer und dem Händler
Eine zentrale Frage im Rahmen der EUDR ist die, nach der Rolle von Verlagen: Sind sie Inverkehrbringer, Marktteilnehmer oder Händler eines relevanten Rohstoffes oder Folgeproduktes? Ein Verlag gilt immer dann als Inverkehrbringer, wenn er die wirtschaftliche Einheit ist, die einen kritischen Rohstoff oder ein relevantes Folgeprodukt zum ersten Mal auf dem Europäischen Markt zur Verfügung stellt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Bücher aus Asien importiert werden. Ob und wann ein Verlag der Inverkehrbringer ist, hängt also von seiner Lieferkette ab und kann sich von Produkt zu Produkt unterscheiden. Es kommt entscheidend darauf an, wo die Produktion der Printprodukte erfolgt.
Als Inverkehrbringer müssen Verlage die vollen Anforderungen der EUDR erfüllen. Aber auch als Marktteilnehmer haben Verlage die volle Sorgfaltspflicht. Lediglich für kleine und mittelständische Händler im Sinne der EUDR gibt es eine vereinfachte Sorgfaltspflicht.
Für die Umsetzung der Verordnung werden die verschiedenen Länder oder Landesteile zukünftig durch die EU-Kommission in einem dreistufigen Risikomodell bewertet, abhängig davon, wie anfällig die jeweilige Region für Entwaldung oder Waldschädigung ist. Die Bewertung der Herkunftsgebiete hat dann wiederum Einfluss auf die Tiefe der zu leistenden Prüfung der DD-Statements durch Verlage.
Die Vorteile für Verlage
Klar, die Erfüllung der EUDR-Anforderungen ist mit Arbeit verbunden. Die EUDR bietet aber auch einigen Nutzen für Verlage:
- Verlage sind durch die Produktion von Printprodukten unmittelbar wirtschaftlich abhängig von Ökosystemdienstleistungen und brauchen ein intaktes Ökosystem als Basis für die Herstellung ihrer Produkte und ihren wirtschaftlichen Erfolg. Der Schutz von Wäldern ist also in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse.
- Durch die Verordnung wird die Compliance von Marktteilnehmern und Händlern entlang der Lieferkette gestärkt.
- Wer als Verlag wirklich nachhaltig wirtschaften will, ist angewiesen auf die Transparenz in seiner Lieferkette, die durch die EUDR entsteht. Denn nur so können die Auswirkungen, Risiken und Chancen in Bezug auf Nachhaltigkeit realistisch bewertet werden, was für die Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit genutzt werden kann.
- Printprodukte haben bisher ein “Saubermann-Image“. Doch diese gefühlte Wahrheit steht im Widerspruch zu ihrem tatsächlichen Ressourcenverbrauch. Informierte Verbraucherinnen und Verbraucher schauen immer genauer hin und wollen alles über die Herkunft ihrer Produkte wissen.
Die Zeit für die Vorbereitung auf die EUDR schmilzt dahin. Deshalb ist jeder Verlag gut beraten, spätestens jetzt damit anzufangen. Und natürlich kann man mit dem richtigen digitalen Tool auch viele der notwendigen Arbeitsschritte und Prozesse automatisieren.
Auch wenn diverse Branchenverbände Aufschub von der Politik fordern, sollte man sich darauf nicht verlassen. Denn eines ist klar: Wer die EUDR heute unterschätzt, geht morgen ein großes Compliance-Risiko ein. Und ein hohes finanzielles Risiko obendrein, denn durch Verstöße können Geldbußen bis zu 4 % des Gesamtumsatzes fällig werden.
Dieser Artikel ist im Original am 14.06.24 im dpr Magazin erschienen.
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